Das Eierrösi

Das Fasnachts-Symbol der Mättli-Zunft


Die Lebensgeschichte vom Eierrösi

Das Fasnachtssymbol der Mättli-Zunft und der Littauer Fasnacht lebte von 1872 bis 1952. Mit bürgerlichem Namen hiess das Eierrösi eigentlich Rosa Marty und stammte aus Menznau. Ihr lediger Name war Rosa Mätz. Über ihre Jugendzeit und auch über ihren ersten Mann ist nicht viel bekannt. Er hiess Xaver Christen, lebte in Malters im Stegmättli und starb 1919. Im Februar 1922 verheiratete sich Rosa wieder. Ihr zweiter Mann hiess Jakob Josef Marty. Von Beruf war er Melker und Landarbeiter. Er war bei der Familie Rölli im Vogelmoos angestellt. Diese Verbindung soll aber sehr lose gewesen sein und Rösi nicht immer daheim. Hier in Littau lebte sie von ca. 1920 bis 1936. Von Beruf war sie Bötin. Sie wohnte an verschiedenen Orten in der Gemeinde. Zuerst in Gopigen, später in der Ober–Rengg, nachher im Vogelmoos und zuletzt noch in der Niedermatt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1925

Zu dieser Zeit war es Brauch, dass Brautleute, vor ihrer Heirat, dreimal am Sonntag in der Kirche während des Hauptgottesdienstes öffentlich verkündet wurden. Gewöhnlich vermieden die Brautleute es, die bewussten Gottesdienste zu besuchen, um das Getratsch der Leute zu umgehen. Zeitgenossen wussten uns zu berichten, dass aber das Eierrösi ausgerechnet diese drei Gottesdienste besuchte, wo ihre Heirat verkündet wurde. Dies, obwohl sie sonst kaum je in der Kirche anzutreffen war.

Später lebte Rösi noch eine Weile in Küssnacht, bevor sie dann 1952 im Bürgerheim in Steinen (Schwyz) im Alter von 80 Jahren, einsam verstarb, ohne etwas zu hinterlassen.

Während der Zeit, die sie in Littau lebte, handelte sie mit Eiern, Poulets und Güggeli. Das hat ihr auch zu ihrem berühmten Namen „Eierrösi“ verholfen, der ihr zeitlebens blieb. Die Eier und Hühner, mit denen sie handelte, holte sie sich von den Bauern in Littau und vom Littauer Berg. Es wird erzählt, dass Rösi den Hühnern jeweils gleich an Ort und Stelle den Hals umdrehte und sie rupfte.

Bei ihren Verkaufstouren war sie auch sehr häufig in der Stadt und in der näheren Umgebung anzutreffen. Auch da war das Eierrösi sehr bekannt. In Littau aber war sie derart populär, dass die Mättli-Zunft sie zur Patronin ihrer Fasnacht erhob und ein überlebensgrosses Abbild von ihr anfertigte. Dieses riesige Eierrösi darf nun jedes Jahr am Fasnachtssonntag den Umzug anführen. Es ist für jeden jungen Zünftler eine ehrenvolle Aufgabe, wenn er zum „Motor“ des grossen Rösis erkoren wird.

Warum aber wurde das Eierrösi so bekannt und berühmt? Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass ihr Leben nicht immer in schön geordneten Bahnen verlief, wie das der meisten ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Aber sie wehrte sich tapfer und fiel zeitlebens niemandem zur Last.

Geschildert wird Rösi als kleine, dickliche Person. Sie trug fast immer einen weiten Rock, der ihr beinahe bis zum Boden reichte. Auch trug sie gerne einen Manchesterkittel, der ihr hervorragendes Busenprofil so richtig zur Geltung brachte. An den Füssen trug sie währschaftes Allwetterschuhwerk. Ihr nach allen Seiten sträubendes Haar versteckte sie am liebsten unter einem randlosen, kübelförmigen Hut. Auch ihren Henkelkorb trug sie ständig mit sich. Ihren Hut schmückte sie am liebsten mit Straussenfedern. Auf diese Art zurechtgemacht, besuchte sie ab und zu auch in Luzern das Bahnhofbuffet 1. Klasse. Sah sie dort einen vornehm aussehenden Mann mit einem Schlips, so entschlüpfte ihr meistens die Bemerkung: „Du hast jetzt aber eine schöne Krawatte an. Du bist sicher ein Gemeindeammann.“ Aber auch sonst hatte es das männliche Geschlecht dem Eierrösi sehr angetan. Wenn ihm ein Mann gefiel, und es waren derer viele, so sprach sie ihn unbekümmert mit „Cheibe schöne Herr“ an. Und wenn er ihr ein Kompliment machte, pflegte die Gute laut zu jauchzen.


Eine andere grosse Leidenschaft von ihr war das Rauchen. Aber nicht etwa Zigaretten, wie man vermuten könnte. Nein, sie rauchte lieber dicke Stumpen oder Brissago und Toscanelli. Diese sonst eher den Männern vorbehaltenen Rauchwaren vertrug Rösi aber weit besser, als wenn man sie verspottete oder hinter ihrem Rücken auslachte.

Anfang der dreissiger Jahre war das Eierrösi am Dienstag nach dem Markt in der Stadt vielfach im Restaurant Merkur anzutreffen. Meistens hatte sie dann noch einige Eier bei sich und auch Poulets, die aber selten richtig gerupft waren. Der Wirt kaufte sie ihr aber trotzdem ab. Wenn Eierrösi jeweils ins Restaurant eintrat, musterte sie alle Tische sehr gründlich. Unter den Gästen kannte sie diejenigen genau, die ihr den besseren Wein bezahlten.

Auch an manchen Donnerstagen führte sie der Weg ins Merkur. Zuweilen war das Eierrösi dann schon leicht besäuselt oder etwas von ihrem „Gekömm“ war ihr heruntergerutscht, sodass die Gäste darüber lachen mussten. Wenn sie dann ein Glas Wein offeriert bekam, sagte sie zu dem Spender: „Ech ha dech scho gärn, du Buseli!“ War Eierrösi gut gelaunt, streichelte sie einem Mann den Nacken und sagte: „Du liebä, du guete Maa.“ Hatte diese Behandlung aber nicht den gewünschten Erfolg, so ging sie einfach zum Nächsten. Zeigte dieser dann Musikgehör und fragte etwa: „Rösi, du wotsch doch gärn es Glas Wy?“ Rösi darauf ziemlich unverfroren: „Jo, aber es Glas Beaujolais.“ Zahlte der Spender aber nur einen billigen Montagner, so war er „kei liebe Maa“ mehr.

In Luzern war Eierrösi auch gern zu Gast im Stiefel, im Bruchtor, im Gotthardloch oder in der Fischerstube. Mit Vorliebe hielt sie sich auch bei pensionierten Männern in der Nähe des Bahnhofs auf. Nicht ungern sass sie den älteren Herren auf ihre Oberschenkel. Das brachte ihr natürlich öfters den erhofften Zweier ein. Eierrösi soll einmal geprahlt haben, dass ihr zwölf Zweier spendiert wurden.

Ab und zu wurde aber der hohen Obrigkeit und der Polizei ihr Treiben in der Stadt doch zu bunt. Sie forderten darum das Eierrösi auf, am Abend die Stadt rechtzeitig zu verlassen. Wenn sie aber dennoch überhockte, wurde sie abgeholt und im Kastenwagen, dem sogenannten Gummirutscher nach Littau befördert. Bei dieser Fahrt im Kastenwagen hat sie dann jeweils laut gesungen und gejauchzt.

Im Littauer 800 Jahrbuch erzählt Josef Hunkeler folgende Anekdote, wie es einigen Littauer Buben mit dem Eierrösi einst ergangen war:

Es war im Sommer 1920. Die Schule war beendet und wir Schüler entschwanden den Augen des Lehrers Albert Elmiger vom Schulhaus aus Richtung Dorf bis zum Gasthof Ochsen. Dort stand das Gefährt von Res Hunkeler von der Rengg. Hinten auf der Wagenbrücke in einem Kalbergatter eingesperrt sass das Eierrösi, neben sich ein Bier. Nicht nur wir Buben, auch der Lehrer stand still und betrachtete das Gefährt mit Rösi, strich durch seinen Schnauz und schwenkte gegen den Neuhushof weg nach Hause. Wir Buben strichen um das Gefährt, bis drinnen vom Restaurant einer herausrief, ob wir nicht mit Rösi ein wenig herumfahren wollten. Zwar war keiner von uns Buben mit dem Gefährt vertraut, doch der Wassermeier Sepp, welcher in der Teufelsablage wohnte, schwang sich auf den Bock und wir anderen klammerten uns an den Kalbergatter. Doch die Fahrt dauerte nicht lange. Beim Pfarrhaus stand Pfarrer Bussmann auf der Stiege, kam herunter, stoppte und nahm dem Wassermeier Sepp die Geisel aus der Hand und schwang sie gegen uns Buben. Wir verschwanden in alle Richtungen. Was der Pfarrer mit dem Fuhrwerk und dem Eierrösi machte, weiss ich nicht.


Unter den weiblichen Originalen in Luzern und Umgebung hat es wohl seit ihrer Zeit kaum mehr eines gegeben, das so populär war wie Rosa Marty, alias Eierrösi. Zu ihrer Popularität in Littau hat auch alt Posthalter Josef Bieri viel beigetragen. Er hat 1960 eine Abendzirkelsitzung gestaltet, wo er über das Leben und Wirken des Eierrösis berichtet hat.

Quellennachweis:
Verlegergemeinschaft Güüggali Zunft Luzern und Verlag Anzeiger Luzern. Gemeindearchiv Littau, Kirchgemeindearchiv Littau und Archiv Abendzirkel.